Ach ja, die Trotzphase.
Kaum ein Wort sorgt bei Eltern für so viele Augenrollen und bei Erzieherinnen für so viel Mitgefühl (und stille Erinnerungen an die letzte Kita-Szene mit fliegenden Bauklötzen 😅).
Aber: Die Trotzphase ist nichts Schlimmes. Im Gegenteil – sie ist ein wichtiger Entwicklungsschritt.
Ich erzähle euch mal, warum.
Was in der Trotzphase passiert
Etwa ab dem zweiten Lebensjahr merken Kinder plötzlich: „Ich kann selbst entscheiden!“
Vorher war alles eins – Mama, Papa, Kuscheltier, Welt. Und jetzt? Jetzt will dieses kleine Wesen wissen, wer es selbst ist.
Das heißt: ausprobieren, ablehnen, bestimmen, „Nein“ sagen, Schuhe anziehen wollen – und zwar allein!
Das ist keine Bosheit. Das ist Persönlichkeitsentwicklung pur.
In dieser Zeit entdeckt dein Kind:
- „Ich habe einen eigenen Willen.“
- „Ich kann Dinge beeinflussen.“
- „Ich bin nicht eins mit Mama oder Papa – ich bin ICH.“
Diese Erkenntnisse sind Meilensteine in der Persönlichkeitsentwicklung. Dein Kind lernt, seine eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und zu äußern. Und das funktioniert anfangs vor allem über Emotionen – manchmal sehr laut.
Warum Trotz wichtig ist
Wenn dein Kind trotzt, zeigt es:
„Ich habe eine eigene Meinung.“
„Ich will verstehen, wo meine Grenzen sind.“
Das ist die Grundlage für Selbstbewusstsein. Kinder, die gelernt haben, dass ihre Gefühle ernst genommen werden, entwickeln später mehr Vertrauen in sich und andere.
Trotz ist also kein „Fehler im System“, sondern ein Zeichen von innerer Reifung.
Was passiert im Gehirn?
Das kindliche Gehirn steckt mitten in einer Bauphase:
- Der präfrontale Cortex (zuständig für Impulskontrolle und logisches Denken) ist noch unreif.
- Gefühle kommen ungefiltert, das Kind hat noch nicht die Fähigkeit, sie sofort zu regulieren.
- Erst mit etwa 4–5 Jahren sind die „Gefühlsschalter“ besser mit dem „Verstandskabel“ verbunden.
Heißt: Dein Kind überflutet sich selbst manchmal mit seinen eigenen Gefühlen und braucht dich als Anker.
Typische Auslöser für Trotzanfälle
- Frust: Etwas klappt nicht wie gewollt.
- Einschränkungen: „Du darfst das nicht.“
- Überforderung: Zu viele Reize, zu müde oder hungrig.
- Eigenständigkeit: Dein Kind will allein entscheiden, und zwar jetzt.
Wie du liebevoll durch die Trotzphase begleitest
- Ruhe bewahren – auch wenn es stürmt. Deine Gelassenheit wirkt wie ein sicherer Hafen.
- Gefühle benennen: „Ich sehe, du bist wütend, weil du die Jacke nicht anziehen willst.“ „Du bist wütend, weil du das nicht selbst machen darfst.“
Solche Sätze zeigen: Ich sehe dich. Das beruhigt.
- Grenzen klar setzen: Liebevoll, aber bestimmt. Kinder brauchen Orientierung.
- Entscheidungen anbieten: Statt zu fragen „Ziehst du dich jetzt an?“ (was schnell zu einem Nein führt), gib dem Kind Wahlmöglichkeiten, die ihm ein Gefühl von Kontrolle geben:
„Möchtest du die blaue oder die rote Mütze?“ oder „Willst du zuerst das Shirt oder die Hose anziehen?“
So kann dein Kind mitbestimmen
Manche Entscheidungen können aber auch zu groß sein, z. B. „such dir aus, was du anziehen willst“ kann vor einem großen Kleiderschrank zu viel sein. Dein Kind hat keinen Überblick, was es gibt. Eine Frage wie „die blaue oder die rote Hose?“ macht es für dein Kind einfacher.
Bleib liebevoll konsequent
Grenzen sind wichtig – aber sie dürfen warm sein. Ein ruhiges „Ich verstehe dich, aber das geht so nicht“ wirkt oft mehr als ein lautes „Jetzt ist Schluss!“.
- Nähe zulassen: Manche Kinder brauchen in Wutmomenten Rückzug, andere sofortige Umarmung.
- Nach dem Sturm reden: Gemeinsam besprechen, was passiert ist – kindgerecht und ohne Vorwürfe.
Zeige auch du deine Gefühle und benenne sie deinem Kind
Kinder lernen den Umgang mit Gefühlen nicht durch Erklärungen, sondern durch Vorleben. Wenn du selbst offen mit deinen Emotionen umgehst, lernt dein Kind, dass alle Gefühle erlaubt sind, auch die schwierigen. Du kannst zum Beispiel sagen: „Ich bin gerade ein bisschen genervt, weil es so laut ist.“ oder „Ich bin traurig, dass das kaputtgegangen ist.“ So erfährt dein Kind, dass Gefühle normal sind und wieder vorbeigehen. Es spürt: Mama oder Papa bleibt auch mit Gefühlen in Verbindung, also darf ich das auch. Diese Ehrlichkeit schafft Nähe, Vertrauen und emotionale Sicherheit.
Elternmythos: „Das Kind will nur provozieren“
In Wahrheit „provoziert“ dein Kind nicht bewusst. Es testet seine Wirkung auf die Welt – genau wie es vorher getestet hat, was passiert, wenn es einen Ball fallen lässt. Nur ist der „Ball“ jetzt ein Gefühl.
Fazit:
Die Trotzphase ist kein Kampf, den es zu gewinnen gilt, sondern ein Tanz zwischen Freiheit und Führung. Dein Kind lernt in dieser Zeit, wer es ist und du hast die Chance, ihm zu zeigen, dass alle Gefühle willkommen sind; auch die wilden. So wird aus der „schwierigen Phase“ ein wichtiges Kapitel in der Bindung zwischen euch. Für dein Kind ist es ein Schritt ins Ich
Es gibt auch ein paar schöne Kinderbücher zu diesem Thema.



